Kündigungsschutz - wann ist die "Wartezeit" erfüllt?

Wer als Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, muss diese "sozial rechtfertigen", wenn er in seinem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt und das gekündigte Arbeitsverhältnis "ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat" (§ 1 Abs. 1 KSchG).

Diese "Wartezeit" soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, zunächst zu prüfen, ob der Arbeitnehmer persönlich und fachlich geeignet ist, die vorgesehene Tätigkeit auszuüben.

1) "Wartezeit" und "Probezeit"

Insofern hat die Wartezeit die gleiche Funktion wie eine "Probezeit", von der zum Beispiel in § 622 Abs. 3 BGB gesprochen wird, auch sie soll der Erprobung dienen.

Es bestehen aber Unterschiede: die Wartezeit gilt kraft Gesetzes, eine Probezeit immer nur dann, wenn sie vereinbart wurde, im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag.

Eine Probezeit ermöglicht eine Kündigung mit einer verkürzten Frist von zwei Wochen statt der in § 622 Abs. 1 BGB genannten Grundkündigungsfrist von vier Wochen, sie sagt aber nichts darüber aus, ob der allgemeine Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes oder ein besonderer Kündigungsschutz besteht.

Ähnlichkeiten bestehen bei der Höchstdauer: die Wartezeit beträgt kraft Gesetzes sechs Monate, sie kann nicht verlängert, wohl aber verkürzt und komplett gestrichen werden, dann beginnt der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz entsprechend früher bzw. schon mit Beginn des Arbeitsverhältnisses.

Die Probezeit darf ebenfalls höchstens sechs Monate dauern, auch sie kann verkürzt werden.

2) Beginn und Ende der Wartezeit

Obwohl die Wartezeit der Erprobung dient, kommt es nicht auf die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung an, sondern den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Selbst wenn eine Erprobung in Folge von Krankheit, Urlaub oder Schwangerschaft nicht durchgehend möglich war, läuft die Wartezeit nach sechs Monaten ab.

Vereinbart der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer, dass das Arbeitsverhältnis am 15.5. beginnt, der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aber erst am 26.5. aufnehmen soll, dann läuft die Wartezeit ab 15.5., erst recht wenn die Anmeldung in der Sozialversicherung ebenfalls zum 15.5. vorgenommen wurde.

Vereinbaren die Beteiligten am 1.4. ein an diesem Tag beginnendes Arbeitsverhältnis, dann ist Fristbeginn der 1.4, er zählt als erster Tag voll mit, auch wenn die Unterzeichnung des Arbeitsvertrages und die Aufnahme der Tätigkeit vielleicht erst im Laufe des Tages erfolgten, dies ergibt sich aus § 187 Abs. 2 BGB.

Das hat Auswirkungen auf die Berechnung des Fristendes: eine Frist, die nach Monaten bestimmt ist, endet im Falle des § 187 Abs. 2 BGB "mit Ablauf des Tages des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht" (§ 188 Abs. 2 BGB).

Beispiel: Begann das Arbeitsverhältnis am 1.4., läuft die sechsmonatige Frist am 30.9. ab, begann es am 15.5., endet die Frist am 14.11.

Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so ändert sich nichts, die Frist verlängert sich nicht bis zum nächsten Werktag.

Bei der Einreichung einer Kündigungsschutzklage ist es anders: sie muss innerhalb von drei Wochen erhoben werden (§ 4 Satz 1 KSchG), die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben erhalten hat. War das ein Samstag, beträgt die Frist 21+2 Tage, läuft also bis Montag (§ 222 ZPO, § 193 BGB).

Bei der Wartefrist gilt das wie gesagt nicht: fällt der letzte Tag der Wartezeit auf einen Sonntag, dann sollte der Arbeitgeber, wenn er noch innerhalb der Frist kündigen möchte, das Kündigungsschreiben in der Woche davor zustellen, z. B. am Freitag oder Samstag, spätestens aber am Sonntag.

Erhält der Arbeitnehmer es am Montag, dann hat das Arbeitsverhältnis mit Beginn dieses Tages bereits "länger als sechs Monate bestanden" (§ 1 Abs. 1 KSchG), folglich bedarf die Kündigung nun der "sozialen Rechtfertigung", um rechtswirksam sein zu können (BAG, 24.10.2013, 2 AZR 1057/12).

3) Auszubildende, Leiharbeitnehmer

Nach § 1 Abs. 1 KSchG muss das Arbeitsverhältnis "in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden haben."

Wird ein Auszubildender im Anschluss an die Ausbildung von seinem Ausbildungsbetrieb übernommen, wird seine Ausbildungszeit auf die Wartezeit angerechnet, er muss nicht erst sechs Monate warten, um sich auf das Kündigungsschutzgesetz berufen zu können. Das Berufsausbildungsverhältnis und das sich unmittelbar anschließende Arbeitsverhältnis bestanden zwischen denselben Vertragsparteien, außerdem konnte die persönliche und fachliche Eignung hinreichend erprobt werden.

Bei der Leiharbeit ist das Bundesarbeitsgericht anderer Ansicht. Selbst wenn ein Leiharbeitnehmer in demselben Betrieb schon länger als sechs Monate beschäftigt gewesen sei, müsse er nach Beginn seines Arbeitsverhältnisses mit seinem jetzigen Arbeitgeber - dem ehemaligen Entleiher - zunächst die Wartefrist überstehen.

Das erstaunt auf den ersten Blick, weil sich beide schon vorher kannten, wie in dem Fall mit der Übernahme des Auszubildenden.

Das Gericht verweist auf die unterschiedlichen Vertragspartner: bei der Arbeitnehmerüberlassung bestehe das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Verleiher, nicht mit dem Entleiher. Wechsele der Arbeitnehmer zum Entleiher, werde das bisherige Arbeitsverhältnis beendet und ein neues eingegangen.

Auch wenn der frühere Leiharbeitnehmer schon vorher seinem Arbeitgeber "unterstellt" gewesen sei, etwa bei der Organisation der Arbeit, habe dieser nur in einem Teilbereich die Arbeitgeberfunktion ausgeübt. Lohnzahlung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgewährung seien Sache des Verleihers gewesen.

In der Wartezeit solle nicht nur die Arbeitsleistung erprobt werden, sondern auch das "sonstige Verhalten" des Arbeitnehmers (BAG, 20.02.2014, 2 AZR 859/11).

Rechtsanwalt Lars Finke, LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mülheimer Str. 85, 47058 Duisburg (Stadtteil Duissern)